Damals hatte ich noch nichts von Kooperation statt Konfrontation geschweige denn Mediation gehört und kannte u.a. auch nicht das so betitelte Buch von Dr. Reiner PONSCHAB und Adrian SCHWEIZER,
beides selbst ehemals leidenschaftliche Prozessanwälte. Im Vorwort zur 2. Aufl. 2010 dieses Buches hat der Jura-Professor Prof. Dr. Fritjof Haft ausgeführt:
„ … Seit Jahrtausenden pflegen die Menschen ihre Konflikte als Nullsummenspiele auszutragen, bei denen auf jeden Gewinner ein Verlierer kommt. Fast ebenso lange unterstützen und verschärfen die
Juristen als Richter und Rechtsanwälte diese Vorgehensweise, indem sie von den konfliktbefangenen Menschen die Einnahme von Positionen – von Ansprüchen – und deren Durchsetzung in bestimmt
formulierten Aktionen – in Klagen – fordern. Das erstere nährt die Rechtsanwälte, das letztere die Gerichte, und wer diesen Wirtschaftsprozess nicht unterstützt, der bekommt eben kein Urteil und mag
sehen, wo er bleibt. Aber oftmals nützt das Urteil wenig und fast immer lässt es die Parteien beschädigt zurück. In seinen Erinnerungen schildert der Schriftsteller Hans Fallada, dass sein Vater,
Reichsgerichtsrat in Leipzig, Prozesse als wahre Menschenvernichtungseinrichtungen ansah und versicherte, er werde jedem, der ihn verklage, sei es, mit welcher Forderung auch immer, alles geben, was
dieser nur wolle, um ja nicht in einen Prozess verwickelt zu werden. …“
In einer besonders dramatischen Ehe- und Familienkonfliktangelegenheit, in der ich die Ehefrau anwaltlich vertreten habe, schafften es die beteiligten Rechtsanwälte – ich eingeschlossen - über
zwanzig Akten anzulegen und entsprechend viele gerichtliche Verfahren zu führen. Meine Mandantin erhielt über einen Zeitraum von etwa vier Jahren in den gerichtlichen Entscheidungen überwiegend das,
was ich beantragt hatte. Nach Urteilen und Beschlüssen war Sie die Siegerin. Als alle gerichtlichen Verfahren beendet waren, wollte ich mich – nicht ohne Stolz - von meiner Mandantin
verabschieden.
Die Mandantin bemerkte indessen:
„ …. Sie haben für mich gekämpft wie ein Löwe, aber wo ist mein Leben geblieben. Die vielen Besprechungen mit Ihnen, die Gerichtstermine und immer wieder meine Aufgabe, aus der Vergangenheit
auszugraben und zusammenzutragen, was meinen „Ex“ in eine schlechte Position bringen sollte. Ich fühle mich ausgebrannt und kaputt und habe das Gefühl, wertvolle Jahre meines Lebens verloren zu
haben. Ich habe Angst, meinem „Ex“ irgendwo zu begegnen. …“
Diese Reaktion hat mich nachdenklich gestimmt und mich dazu bewegt, mein gewohntes anwaltliches Vorgehen nachhaltig zu Überdenken.
Ich begann zu begreifen, dass nicht die Konflikte selbst das eigentliche Problem sind, sondern der Umgang mit den Konflikten. Seither habe ich versucht, die mir von meinen Mandantinnen und
Mandanten mitgeteilten Probleme nicht mehr nur im Hinblick auf ihre juristische Relevanz zu durchleuchten, sondern von vornherein mein Augenmerk darauf zu richten, das Problemumfeld in einer
Gesamtschau zu beachten. Aus der konventionellen Kampfansage an den Gegner ist der Blick auf den Partner geworden. Gefragt wurden meine Kreativität, mein Einfühlungsvermögen in die Situation der
beteiligten Menschen und mein Geschick im Umgang mit ihnen. Da ich mit Menschen in den verschiedensten Konfliktsituationen zu tun hatte, also mit den Regeln des menschlichen Zusammenlebens
schlechthin, benütze ich zur Mobilität auch gern öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad. Da habe ich immer ein unmittelbares Anschauungstraining, wie Menschen miteinander umgehen.
Nicht Dreschflegel und harte Bandagen sind bei mir zum Einsatz gekommen, sondern Charme und Intelligenz, Fantasie und Menschenkenntnis.